Unfallursache Herzinfarkt – immer wieder stellen Unfallermittler nach schweren Verkehrsunfällen mit Bus- oder Lkw-Beteiligung fest, dass der Fahrer vor dem Crash einen Schwächeanfall oder gar noch schlimmeres erlitt und deshalb die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Solche Unfälle haben meist gravierende Folgen.
Ist es möglich, das Unfallrisiko durch die Erkennung einer drohenden Bewusstlosigkeit am Steuer wirksam zu minimieren? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns aktuell in dem Projekt „Predictive Emergency Defense“ (PED).
Mit Fahrer-Assistenzsystemen wie dem Active Brake Assist 4 in unseren Trucks sind wir bei Daimler in Sachen aktive Unfallvermeidung bereits vorne mit dabei. In unserem Projekt gehen wir einen Schritt weiter. Wir möchten mit unserer neuesten Erprobung jetzt einen Weg finden, wie die Fahrzeuge bereits assistieren und reagieren können. Sie sollen anhand der Daten feststellen, dass eine mögliche Handlungsunfähigkeit des Fahrers eintreten könnte. Dadurch gewinnen wir wertvolle Sekunden.
Der richtige Rhythmus zählt
Das PED-System zur vorausschauenden Notfall-Vermeidung stützt sich dabei nicht ausschließlich auf Fahrzeugparameter, aus denen Rückschlüsse auf den Zustand des Fahrers gezogen werden. Es ermittelt die notwendigen Daten direkt und in Echtzeit am Menschen. Frieda Preuß, Ingenieurpsychologin, Masterandin im Forschungsgebiet Public Health und Begleiterin des Projekts:
Herzrhythmusstörungen als erste Anzeichen für einen Herzinfarkt spürt der Mensch nicht unbedingt. Sie lassen sich nur durch ein vollwertiges EKG erkennen.
Ein solches EKG (Elektrokardiogramm) wird normalerweise nur in Krankenhäusern von Fachpersonal aufgezeichnet und interpretiert. Und genau hier liegt für uns der Punkt zum Anknüpfen. Das PED erkennt durch ein vollwertiges Echtzeit-EKG eine drohende Fahrunfähigkeit des Bus- oder Lkw-Fahrers während der Fahrt. Dafür haben wir in Zusammenarbeit mit dem Institut für Textil- und Verfahrenstechnik die sogenannte „EKG-SensorVest“ entwickelt.
Ein bisher einzigartiges technisches Hilfsmittel, das Kardio-Daten des Fahrers während der Fahrt erfasst. Ein großes Thema in diesem Zusammenhang ist natürlich auch der Datenschutz. Das System ist ausschließlich zur Erkennung akuter Notfälle gedacht. Die gesammelten Daten werden nach Abschalten des Motors gelöscht.
So funktioniert das PED-System
Drei in der „SensorVest“ integrierte Elektroden liefern die Daten eines Echtzeit-EKGs an einen Datenrekorder. Auf ihm läuft die eigens dafür programmierte Monitoring-Software „CardioNow“. Die von unseren Projektpartnern GETEMED und dem Herzzentrum Esslingen gemeinsam entwickelt wurde. Das Programm interpretiert und klassifiziert die verschiedenen Zustände des Fahrers und schickt sie via Bluetooth an die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Diese entscheidet dann, ob und welche Aktionen nötig sind – nämlich Information, Warnung oder Eingriff der Assistenzsysteme.
Zeichnet das EKG beispielsweise Anzeichen einer kritischen Herzrhythmusstörung auf, senden die Assistenten akustische und visuelle Signale an den Fahrer. Reagiert er darauf nicht, wird die Warnblinkanlage aktiviert, das Fahrzeug kontrolliert in der Spur bis zum Stillstand abgebremst. Anschließend wird ein Notruf abgesetzt und der Standort übermittelt.
Wir gewinnen wertvolle Zeit, wenn wir eine drohende Fahrunfähigkeit frühzeitig erkennen. Durch die Integration unseres Systems in die vorhandenen Assistenzsysteme werden die Insassen geschützt, andere Verkehrsteilnehmer rechtzeitig gewarnt und der Fahrer erhält die schnellstmögliche medizinische Hilfe.
Die Weste im Einsatz
In den vergangenen Monaten haben wir unser System gründlich auf die Probe gestellt. Bei insgesamt 85 Versuchsfahrten mit Bus, Lkw und Pkw sind unsere Fahrer von Kirchheim/Teck über die Autobahn nach Ulm, dort im Stadtverkehr und anschließend über die Landstraße zurück gefahren. Es handelte sich um eine klassische Fahrdynamik-Strecke auf der viele verschiedene Fahrsituationen getestet wurden. Erste Auswertungen zeigen eine hohe Qualität der aufgezeichneten analogen EKG-Signale und erlauben dadurch die Interpretation möglich vorhandener Herzrhythmusstörungen durch die Software „CardioNow“.
Der Beitrag Herzenssache: die SensorVest erschien zuerst auf Daimler-Blog.